Best of Biwak: Berg statt Bett
Ski&Fly am Gleinkersee. Via Dümlerhütte auf die Speikwiese. Mit Biwak am Berg.
Vor unserer Expedition zur Ama Dablam hatten wir es uns schon einmal fest vorgenommen. Lass uns doch einmal in der Woche irgendwo im Gebirge schlafen! Nicht, weil wir zuhause keinen Fernseher haben und uns langweilen würden… Ganz im Gegenteil: Einerseits wegen der genialen Stimmungen, die am Berg immer dann am intensivsten sind, wenn die Sonne kommt und wieder geht (und kein Hauptabendprogramm damit mithalten könnte). Und andererseits, um sich ein bisschen abzuhärten für die nächsten großen Ziele. So viel zur Theorie.
Die Praxis. “ Ach, Schatz… es ist halt schon sooooo gut in unserem Bett“, sprach mal er und das nächste mal sie – und die Federn hatten uns wieder. Geschafft haben wir’s dann: ein einziges Mal. Diesmal wollen wir keine Ausreden suchen. Und zumindest einmal im Monat #rausausdenfedern!
Wir finden die Ausreden trotzdem. Ende Jänner, die Temperaturen purzeln seit Tagen im zweistelligen Minusbereich, was uns zumindest beim Eisklettern erfreute. „Wenn wir doch zuhause bleiben…? Ich hab so viel Arbeit…“ Aber nix da. Es ist Samstag, 28. Jänner, heute zählt keine Deadline, sondern der Moment.
Gegen 14 Uhr steigen wir am Gleinkersee aus dem Auto (nach dem wir schon wieder viel zu spät aus den Federn sind). Unser hausgemachtes Hotel soll 1200 Höhenmeter weiter oben liegen, auf der Speikwiese wollen wir biwakieren, das Zelt ist dabei. Auch unser Gleitschirm, das UFO, hoffentlich nicht nur als Kopfpolster. Die Rucksäcke sind fast umwerfend, 14 und 15 Kilogramm schwer. Hinein in die Skibindung und ab in den Präwald.
Was für eine Schnapsidee! Sausteil ist dieser Wald, außer Schneeschuhspuren nix. Wir beide haben superschlau vorausgedacht und die glorreiche Idee geboren, auf dem zugefrorenen Gleinkersee und damit direkt beim Auto zu landen. Um ja keinen Schritt zu weit zu gehen, wählen wir den direkten Weg. Wir büßen dies bald, als wir uns im dichten Wald von Baum zu Strauch zu Skistock hanteln, damit nicht jeder Schritt vorwärts ein langer Rutscher zurück wird. „Sch…idee“, entfleucht’s uns mit einem Lacher. Die Nachmittagssonne sehen wir auch nur am Seespitz und im Sengsengebirge. Nach einer abgekämpften Stunde kommen wir auf den Normalweg. Der kommt einer Autobahn gleich – hier kommen wir als Schwertransporter wieder zügiger voran. Warum nicht gleich…
Vorbei an der hübschen Dümlerhütte (1495 m), die zurzeit im Winterschlaf liegt, ziehen wir zum Rote-Wand-Sattel (ca. 1780 m). Es dämmert bereits, wir geben einem Bergretter und Alpinpolizisten im Tal Bescheid, dass man sich wegen unserer Stirnlampen am Berg keine Sorgen machen müsse.
Mit montierten Harscheisen steigen wir den Rücken bis zur Speikwiese auf. Vorbei an der nordseitigen Einfahrt in die gewaltige Stofferkarrinne (eine lässige Steilabfahrt bei guten Verhältnissen), in südlicher Richtung zur Wurzeralm bleiben wir mit dem nötigen Abstand zu den Wechten. Die Pistenraupen leuchten auf dieser Seite aus dem Skigebiet, im Windischgarstner Tal wird ein Lichtersee aus Häusern und Autos immer heller. Vom Tal aus nicht vorzustellen – aber diese kleinen Pünktchen hier oben sind ziemlich glücklich: eine unfassbare Stimmung begleitet uns.
Die beeindruckende Rote Wand. Da werden in der Dämmerung Erinnerungen an unsere Technotour durch ihre Überhänge wach.
Am abgeblasenen Rücken geht’s noch ein paar Meter die Skier tragend bis auf die Speikwiese auf 2000 Meter über dem Meer.
Unser Hotel mit unzähligen Sternen. Die Verlängerung des Grates zieht sich über den Toten Mann bis zum höchsten Punkt, dem Warscheneck (2388 m).
Diese Stimmung. Zelt aufbauen. Isomatte aufblasen. Carinthia-Schlafsäcke ausbreiten. Unsere UFOs als Kopfpolster positionieren. Gaskocher starten. Essen! Aus dem Rucksack packen wir die übrig gebliebene grandiose Selfmade-Pizza vom Vortag, kochen eine eher subleckere Nudelsuppe. Mit den Worten „Überraschung“ pack ich den Rotwein aus, der gleich zum Glühwein wird. „Hab ich schon mal gesagt, dass ich dich gern hab‘?“, sagt er. Nicht nur einmal. 🙂 Ein bisschen Luxus darf doch sein.
Noch ein genialer Rundumblick draußen und hinein in den warmen Schlafsack ECC 1000 (Andi) und ECC 1300 (ich). Komfortbereich -19 Grad! Das wird gemütlich! Die Sohlenwärmer der Heatcompany pack ich sicherheitsalber noch in den Innenschuh, zippe den Schlafsack zu – stelle den Wecker auf 6 Uhr früh, Gute-Nacht-Kuss.
Schatz, wir haben verschlafen!
Peeeeng! Mich reißt’s aus dem Schlaf. Es ist bereits hell. 7:24 Uhr sagt die Uhr. Mist! Wir hätten doch sooo gern den Sonnenaufgang gesehen… Aber wir haben ziemlich ergiebig und in meiner Ich-könnte-doch-Erfrieren-Angst letztendlich fast zu warm und zu gut gelümmelt. Zelt aufgerissen – boahhhhhhh!
Alles leuchtet von rosa, orange über gelb bis blau – die Sonne kommt gerade hinter der Hochtor-Gruppe im Gesäuse ums Eck, was für ein Timing!
Hinaus gehüpft ins Freie und schon errötet das Warscheneck. Es dauert keine Minute mehr, bis die Sonne empor steigt in einem kräftigen Kaminrot. Die Strahlen breiten sich immer weiter aus, verwandeln sich in ein orange, bis die Farbtöne langsam in unser Gesicht fallen. Ich sitze im Schlafsack an der Klippe, verfolge dieses Schauspiel. Nur ein leichter Wind streicht über unser Gesicht. Ein guter Morgen am Berg! Untertreibung!
Das Warscheneck geht in Flammen auf.
Ein Moment, der so kostbar ist und doch so wenig kostet…
…bis auf die Überwindung, das eigene Bett ganz oder zumindest früher als gewohnt zu verlassen.
Hinter dem Sengsengebirge breitet sich der Nebel bis zum Horizont. Schön, dass wir hier oben sind und Sonne sehen.
Traumtag statt Alltag
Die Sonne hat uns hellwach geküsst, und der Wind gibt uns die weitere Richtung vor. Er richtet sich perfekt für unseren Plan A aus: mit dem Gleitschirm zum Gleinkersee zurückzuschweben. Plan B – abfahren und am Ende durch den Präwald murksen – ist skitechnisch ungefähr so sexy wie ein Annäherungsversuch mit einer Lady oder einem Gentleman, die ihr Leben lang noch keinen Rasierapparat gesehen haben. Ziemlich verwachsen alles. Die kleine oder große Rinne mit dem Zusatzgepäck auf dem Buckel abfahren wäre auch kein Vergnügen. Zurück zu Plan A.
Startklar.
Wir gehen dem leichten Nordwestwind noch ein paar Schritte entgegen. Breiten den Schirm aus. Sortieren die Leinen. Schnallen die Skier zu. Machen zwei Skatingschritte, fahren langsam los, der Schirm öffnet sich – und schon fahren wir nicht mehr, wir fliegen.
Perspektivenwechsel
Wäre die Dümlerhütte offen, müsste man hier zweimal überlegen, nicht doch eine Landung einzulegen. Prädikat: empfehlenswert.
See mit Schnee. Im Sommer würden wir hier baden gehen.
In dieser Eiszeit gibt’s eine wunderbar sanfte Landung. Es sind nur wenige Skatingschritte zurück ans Ufer.
Bootshaus.
Sonntag, kurz nach 9 Uhr. Der Grinser bleibt bis zum Montag. Mindestens. Und jetzt heim zum Frühstück.
Bett statt Berg.
Was war das für eine SCHöneIDEE!