„Man muss träumen wollen, um träumen zu können.“
Die südlichsten Viertausender
Von der Kirche zum Gipfelkreuz. In einem Aufwischen. Von 1740 auf 4102 Meter über dem azurblauen Meer. Ich glaub‘ noch immer, dass mir Andi hinter dem Rücken den Vogel gezeigt hat. Als ich vorgeschlagen hab, es doch vom Tal zu versuchen, nachdem es auf dieser Seite des Berges, in La Berarde, keinen Stützpunkt gibt: Hinauf auf die Barre des Ecrins. Und im „Vorbeigehen“ zur Domes de Neige. Das sind die beiden südlichsten Viertausender in den Alpen. Fast schon Cote d’Azur-Feeling hier. Aber eben nur fast.
Dauphiné. Liberté.
Die beiden Namen klingen für mich geheimnisvoll und nach dünner Luft. Andi kennt die Barre des Ecrins schon. Aber noch nicht vom Norden. Nachdem wir es auf die Spitze getrieben haben (auf die Aiguille Dibona), wollen wir in dieser wilden, ursprünglichen Gegend bleiben.
Endlich in der Dauphiné. Klingt nach Liberté. Und ist wirklich zauberhaft!
Endstation Bergparadies.
In diesen hinteren Winkel machen nicht einmal mehr die Tour-de-France-Radler einen Abstecher. Eine kurvige Bergstraße führt uns nach La Berarde, den kleinsten Weiler des Bergsteigerdorfs Saint-Christophe-en-Oisans (schon wieder so ein wundervoll unaussprechlicher Name). Das Dorf ist so winzig, dass auf einen Quadratkilometer nur eine Person kommt. Es besteht aus einer Hand voll Häuser. Eines ist zum Glück eine Pizzeria (gibt’s denn etwas Besseres nach einer langen Tour?).
Heiliger Bimbam.
Frühstück im Auto. Es ist zwei Uhr früh. Muss das schon sein…? Oui. Vorbei an der Kirche. Ach du heiliger Bimbam. Ewig gehen wir eine Moräne entlang, zum Glück ist es finster. Im ersten Licht sehen wir die steile Scharte, über die wir klettern müssen. Könnte einladender aussehen. Sind aber sogar Stahlseile drin!
Nach ein paar Stunden im Niemandsland fallen uns die ersten Sonnenstrahlen ins Gesicht: Der oberste Teil des Glacier Blanc liegt noch vor uns. Einordnen in die Spur. Die Hauptautobahn schlängelt sich durch Spalten und Seracs. Hier besser nicht langsamer werden.
Der Grat zum Höhepunkt
Durch… Ein kleiner Abstecher auf die Domes de Neige. Dann die Krönung: Über ein Gratstück klettern wir auf den Höhepunkt unserer Tour: den Gipfel der Barre des Ecrins.
Neun Stunden, nachdem wir im Auto gefrühstückt haben. Dazwischen liegen pure Faszination. Freude. Anstrengung? Schon vergessen. Höher geht’s im Süden Europas nicht mehr hinaus. Ein fernes Ziel. Plötzlich da.
Pizzaaaaaa!
Der Abstieg läuft trotz XXL-Format überraschend problemlos (mit etwas Abstand betrachtet). Vorbei an der Kirche. Na halleluja! Hinein in die Pizzeria. Unsere Müde-hab-Hunger-Lieblingsspeise schmeckt formidable. Rotwein gibt’s auch am Ende der Alpen. Haben fertig.