Vom Kaiserwetter zum Donnerwetter
Klettern am Wilden Kaiser: Der Wilde Kaiser ist einfach immer für eine Überraschung gut. Immer. Von der Fleischbank Rebitsch-Spiegl bis zum Bauernpredigtstuhl und Christaturm.
Auf diesen Stopp freuen wir uns, seit der Herr Bundeskanzler in Aussicht gestellt hat, dass wir uns nach dem Corona-Lockdown – zumindest in Österreich – wieder frei bewegen dürfen. Den Zwischenstopp am Wilden Kaiser. Irgendwie schlugen wir dann aber doch einen gehörigen Umweg ein, weil das Wetter immer alles zu bieten hatte, nur kein stabiles Hoch, kein würdiges Kaiserwetter. Warum nicht mal in den nahen Osten fahren? Immerhin könnte sich dort auch an einem halben Tag eine ganze Tour ausgehen. 😉 Und wenn wir in diesem Sommer schon eine kleine Entdeckungsreise durch’s alpine Österreich unternehmen möchten (Südtirol zählen wir da ganz frech dazu), dann fangen wir doch am äußersten Zipfel an. Wir kletterten in den Wiener Hausbergen und machten uns endlich ein Bild von der Hohen Wand bis zur Rax (ein schönes Bild!), wir kamen auf der Hochalmspitze an ihrem Südpfeiler wieder auf Hochtouren und blieben danach eine Weile in Osttirol hängen zum Klettern, Fliegen, Biken – und natürlich: Arbeiten, das können wir ja von überall.*
*Im Blog haben wir leider noch nichts von unseren Stopps berichtet (wir hatten in der Zwischenzeit ein paar andere Schreib- & Fotoprojekte zu erledigen) – aber schaut doch gerne mal auf unseren Seiten auf Facebook und Instagram vorbei, dort gibt’s ganz viel zum Nachschauen und Mitkommen.
Das Wetter stellte immer wieder nur ein oder zwei Tage Prachtwetter in Aussicht – zu wenig, um extra in Richtung Norden zu kurven. Und wenn wir schon mal in Lienz sind und gutes Wetter versprochen wird, steigen wir zwischendurch über die Mayerlrampe und den Nordwestgrat auf’s Dach Österreichs. So. Nach dem Großglockner ist’s jetzt aber wirklich Zeit für die Audienz bei der Majestät aus rauem Kalkgestein. Natürlich spielt’s aber wieder das übliche Programm: Ein Wetter für die Sau statt für den Kaiser. Als das nächste Mal zwei astreine Tage vorhergesagt werden, nützen wir die Gunst der Sonnenstunde. Ab nach Ellmau.
Des Kaisers majestätischer Ausblick.
Ein Tag, zwei einsame Spitzen
Den guten langen Tag mit maximal viel Sonnenschein und Felskontakt bei minimaler Langeweile füllen: Das ist unser Plan. Und der geht voll auf! Am Vormittag klettern wir die „Neue Ostwand“ am Christaturm (kann man mal gemacht haben) – und dann geht’s durch’s Ellmauer Tor zur „Alten Westwand“ am Bauernpredigtstuhl (muss man mal gemacht haben). Eine kaiserliche Kombi, bei der uns vor allem der zweite Teil besonders lange in Erinnerung bleiben wird.
Notiz am Rande
Sieben Uhr früh am Parkplatz der Wochenbrunner Alm. Wer dort mit seinem Bus oder Auto Tag und Nacht stehen bleiben möchte und bei den Wirtsleuten anklopft, sollte in der Regel willkommen geheißen werden. Die Maut kostet 4,- Euro (das Häuschen ist allerdings nur bis ca. 15 Uhr besetzt) und kann danach auch im Gasthaus bezahlt werden – bei Konsumation wird’s gut geschrieben.
Viele Kühe, wenig Mühe: Ein Katzensprung ist’s bis zur hübsch gelegenen Gaudeamushütte, der Ausblick ist zum Wiehern.
Das Ellmauer Tor steht uns offen – ein wunderbarer Tag ebenso.
Nichts wie ran an die Felsen! Zuerst steuern wir den Christaturm an – und wie erhofft begleitet uns viel Sonnenschein durch die „Neue Ostwand“. Überraschend trocken sind alle Felsen ringsum, noch am Tag davor hatte es wie aus Kübeln geschüttet.
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Erster Tag, zweiter Streich
Weil noch immer etwas vom Tag und der Motivation übrig ist, nehmen wir uns am Nachmittag die „Alte Westwand“ am Bauernpredigtstuhl vor. In der Früh hatten wir diese formschöne Pyramide im Kübelkar noch rechts liegen lassen. Mittlerweile ist auch hier die Sonne vorbeigekommen
Vom Einstieg weg können wir die Tour genießen – und staunen. Nette und originelle Kletterstellen wechseln sich ab – und das Herzstück bildet ein interessanter Quergang. Immer bevor einem das Kletterherz in die Hose rutschen würde, löst sich Meter für Meter wunderbar auf. So macht das Spaß!
Als wir in den immer sanfter werdenden Sonnenstrahlen den Gipfel des Bauernpredigtstuhl erreichen, werden wir immer seliger. So ein wunderbarer Aussichtsbalkon! Die Tauern stehen erste Reihe fußfrei – und hinter uns bilden die Zacken der Krone einen Rückhalt. Hier noch die Abendsonne genießen zu dürfen, das fällt unter purer Glücksmoment für uns. Nebenbei hoffen wir, dass das Vogerl jetzt nicht ausgerechnet auf der Kamera top-landet, die am Stein balanciert und den Selbstlöser aktiviert hat. Gipfelfoto im Kasten – und auch die Abseilerei und der Abstieg laufen wie am Schnürchen. Die Wochenbrunner Alm hat an diesem Abend zwar nicht mehr geöffnet, als wir zurück kommen, aber zum Glück sind wir auch Selbstversorger 😉
Fleischbank: Ran an den Speck!
Nächster Tag: Noch ein Tag mit Kaiserwetter! Sollten wir vielleicht… unsere Rechnung mit der Fleischbank-Ostwand begleichen, der vielleicht kaiserlichsten aller Wände zwischen Kufstein und St. Johann? In der Wiessner-Rossi hat’s uns einst verregnet, in der Dülfer hatten wir uns vor zwei Jahren verkoffert – aber in der Rebitsch-Spiegl soll nun alles glatt gehen!
Es ist höchst spannend, in solch historische Routen einzusteigen – und die unfassbaren Leistungen von damals begreifen zu versuchen. Ohne sie wirklich greifen zu können! Diese Touren sind ja heute immer noch kleine Abenteuer. 1912 hatte Hans Dülfer mit Werner Schaarschmidt diese zeitlang „schwierigste Wand der Alpen“ als Erster komplett durchstiegen – Aufsehen erregend in nur vier Stunden. Schon seit Jahren war darum wild gerittert worden. 1946 fügten Hias Rebitsch und Sepp Spiegl eine neue Linie in die Wand ein. Sie kletterten damals mit weniger Zwischenhaken durch die gesamte Route, als heute alleine in der zweiten Seillänge stecken… Da fühlen wir uns mit der modernen Ausrüstung und Absicherung doch fast wie auf Federn gebettet. Aber nur fast 😉
Ist doch alles glatt gegangen!
Es überrascht uns, wieviele Hände hier in der Zwischenzeit schon geklettert sein müssen, weil der Felsen gar so glatt poliert ist. Wie eine Route im (nicht gerade geschenkten!) VII. Grad dermaßen abgespeckt sein kann, das bleibt uns ein Rätsel. Wir zogen wieder mal den Hut (und Helm) vor so vielen starken Vorsteigern unserer Zeit!
Die guten Dinge sind also, wie so oft, drei. Unsere beiden offenen Rechnungen mit der Fleischbank (und die neuen Wünsche… Mann, gibt’s hier viele spannende Routen!) begleichen wir dann besser beim beim nächsten Kaiserwetter… 🙂
So ein Donnerwetter!
…wenn man losstartet und der Optimismus größer als der Realismus ist, kommt Folgendes heraus: Man steht vor der Wand und darf sich entscheiden zwischen: nass, nasser und am nassesten. Und weil wir drei schon mal hier sind – die liebe Kathi aus Kufstein begleitet uns – wählten die die erste Option: nass. Den Sonnenpfeiler am Sonneck.
Die Motivation hat sich noch nicht gänzlich wegschwemmen lassen – schau‘ ma mal, umdrehen können wir ja immer noch! Andi flutscht nur so förmlich durch die ersten Längen. „Fällt ja gar nicht auf, dass da etwas nass ist bei ihm“, zwinkern wir uns beide zu – und zieren uns beim ersten Zug, ins tropfnasse Loch zu greifen. So, jetzt ist’s eh schon wurscht.
Einen Schönheitspreis gewinnt die Kletterei noch nicht – viel Gutes können wir ihr trotzdem abgewinnen. Hey, Frischluft! Bewegung! Alpinkompetenz-Erweiterung! Die freie Begehung des VI-A0-Quergangs verwirft aber dann auch Andi angesichts klitschnasser Verhältnisse. Macht nix, Hauptsache draußen. Zweimal tauschen wir noch die scharfen Ende der Halbseile durch – bis… ja bis uns ganz plötzlich ein Donner erschreckt.
Blitzschnell abgeseilt
Über uns noch ein kleines Sonnenfenster – doch in keinen 15 Kilometern Entfernung brechen die Wolken schon in Tränen aus. Drei Seillänge noch bis oben – oder Rückzug? Ich klettere schnell wieder zurück zum Stand – und die Entscheidung ist rasch getroffen. Nichts wie hinunter mit uns! In Windeseile haben wir uns sechs Mal abgeseilt – und mit den ersten Regentropfen stehen wir am Wandfuß. Perfektes Timing… Binnen weniger Minuten ist das ganze Sonneck in Nebelgrau verhüllt – und dank unserer flotten Füße und rollenden Räder sind wir eine halbe Stunde später auch schon wieder zurück beim Bus. Patschnass, aber mit einem Grinser im Gesicht.