3 Kaisertage. 2,5 Klassiker.
ALPINKLETTER-URLAUB IM NOVEMBER: NACH ARCO? PAKLENICA? LIEBER ZUM WILDEN KAISER! AN DER KOPFKRAXEN KLETTERN WIR UNS WARM (BLUE MOON), IN DER FLEISCHBANK FRIERT UNSER LACHEN EIN (DÜLFER) UND AN DER MAUKSPITZE STRAHLEN WIR MIT DER SONNE DURCH DIE WESTWAND (BUHL).
Mit unserem Timing im Jahr 2018 lagen wir, nun ja, etwas daneben. Im Alpen-Jahrhundert-Sommer hatten wir Wetterpech und Winter (bei unserer Expedition im Karakorum), den goldenen Herbst sahen wir am Fenster vorbei ziehen (und bastelten rund 1000 Stunden an unserem Vortrag 4000ERLEBEN) und im frostigen Frühling schleppten wir schwere Rucksäcke und spulten Ski-Höhenmeter für den 8000er (dem dann doch 600 Höhenmeter fehlten). Aber jetzt beginnt sie wirklich, unsere Klettersaison. Wir schreiben: November, Baby!
Die ersten Früh-Motivierten posten längst Bilder von Skitouren und Nordwänden. Und wir? Sehnen uns nach Sommer, nach dem verpassten. Zum Glück findet man am Wilden Kaiser noch immer alpine Abenteuer am Felsen, wenn andere bereits zum zweiten Mal ihre Skier wachseln.
Sportklettern!
Sportklettern??? Nachdem der Regen beim Jägerwirt in Scheffau auf unser Busdach prasselt, kommt Marlies frühmorgens die Idee, sich doch den Schleierwasserfall aus nächster Nähe anzusehen. Betonung liegt auf: sehen. Dass wir hier eher auf dem Boden bleiben werden, ist uns schon im Zustieg klar.
Schleierhaft ist uns vor allem, wie sich ein Herr Huber durch diese mächtige Wandflucht free durchsoliert hat. Aber wenn wir schon mal hier sind… Gibt’s eine abgespeckte und nasskalte 5b zum Aufwärmen, eine 6b zum Fluchen, eine 6b zum Festhalten, eine 6b+ zum Freuen und eine 6c für Andi als Draufgabe. Wer sich erst im Herbst intensiver dem Klettern widmet, darf sich nicht wundern, wenn er hier keine Luftsprünge macht. Also doch Luftsprünge. Aber von oben (den Griffen) nach unten (ins Seil).
Kopf hoch! Auf zur Kopfkraxen!
Alpinklettern ist ja doch mehr das Unsrige. Es hat sich ausgezahlt, der Blue Moon noch einen Tag zum Föhnen zu geben. Die Verschneidung ist staubtrocken und sieht hübsch aus – wie aus dem Bilderbuch.
Blue Moon, Eine Mond-Punkt-Landung.
In Wahrheit dreht sich in der Blue Moon alles um diese eine Seillänge: die fünfte. Die sticht dafür schon im Zustieg heraus. Die Verschneidung zieht sich über eine ganze und eine viertel Seillänge. Das heißt Piazen, was das Zeug hält!
Na… Wo ist der Mann im Mond?
Und der Rest vom Mond? Zu Beginn finden wir die Linie etwas gesucht, aber nach obenhin steigt die Kletterlaune. Zwischen den Grasbüscheln findet sich feiner und vielseitiger Kalk. So stellen wir uns einen Mondtag (der eigentlich ein Sonntag ist) vor!
Die dicke Jacke darf sich schon bald in den Rucksack kuscheln und wir fliegen zum Mond. Die Aussicht hier oben finden wir fantastisch. Und sinnieren über unser Zeitmanagement: Nächstes Jahr wird wieder früher drauflos geklettert! Alpinklettern macht doch mehr Spaß als tagelanges Abwarten im Basislager… 😉
Noch nicht genug von Mond-Touren? Die wohl schönste gibt’s im Val di Mello: die Luna Nascente.
Was machen wir am echten Montag?
Arbeiten? Nööö… nicht schon wieder. Wir könnten es ja noch mit einer Ostwand versuchen, nachdem’s in der Südwand gut zum Aushalten war. Gleich ums Eck steht doch so eine Berühmtheit herum, an Novembertagen dürfte wohl auch nicht so viel los sein. Die Fleischbank! Sie hat uns vor ein paar Jahren schon mal nicht wollen, da spülte uns der Regen aus der Wiessner-Rossi.
Und… sie will uns auch diesmal nicht haben. Ergeben zwei halbe Touren eine ganze? Dann waren wir ja quasi doch wieder oben…
Butter und Speck
Nö, halbe Sachen zählen nicht, hier die ganze Geschichte: Am Einstieg ist noch alles in Butter – bis auf die saukalten Finger am abgespeckten Felsen. Der Föhn macht leider auch vor der Ostwand nicht Halt und bläst so stark er kann. Und so herrschen Bedingungen wie im… November halt. Zumindest kurz darf sich das Gemüt in der Sonne erwärmen. Aber es kommt ohnehin anders als geplant.
Die erste Hürde: ein Bauch zur vierten Seillänge. Abgespeckt ohne Ende, zum Ansteigen und Ausspreizen reichen kurze Beine nicht aus – aber immerhin ist gleich ein Haken zum Kraftsparen nahe. Zack, drüber – eine saubere Begehung wird das heute ohnehin nicht, an kurzen Novembertagen hat die Schnelligkeit Vorrang gegenüber langem Austüfteln.
Der eigentliche Haken beginnt ab der sechsten Seillänge – besser gesagt: ganz viele Haken.
Da sind so viele Verhauer, schau‘ ma lieber genau auf’s Topo.“
Mist! Das muss jetzt aber falsch sein!“
Und da ist Andi schon drin im ersten Verhauer (der – wie wir später von unserem Kletterspezi und Adolariwirt erfahren – sogar der Weg des Erstbegehers war). Schade, wenn sowas nicht im Topo vermerkt ist – Zig-Varianten gibt’s. Weil’s doch so geil zum Klettern ist, lässt sich Andi auch gar nicht mehr abhalten und landet direkt unterm Dach. Erst nach links queren, dann doch wieder zurück – und abseilen: an sich biegenden und mit frischem Schlingerl versehenen Schlaghaken. Da waren schon mehrere falsch angekommen…
Verhauer #2
Nach dem ersten Versteiger sind wir zurück in der Tour – im Quergang zur siebten Seillänge. Von dort ginge es richtigerweise noch einige Meter weiter links querend – und nicht die ganz schön einladenden Risse empor. Andi versucht’s trotzdem. Wieder falsch…
Schön langsam stellen wir fest: Vor allem das Topo ist ein Verhauer (verlasst euch nicht auf dieses hier…). Dass wir einen aufschlussreichen Blick auf’s Wandfoto werfen, die Idee kommt uns erst wieder unten am Einstieg. Pech gehabt!
Denn da haben wir schon beschlossen, dass uns der November-Tag zu kurz wird für lange Suchereien. Auch wenn’s jetzt nur noch links weitergehen kann. Denn geradeaus führt – wie wir nachher vom Markus Stadler erfahren – der Weg zur Sonne. Hätt‘ uns heute definitiv besser gefallen… 😉
Immerhin verläuft der Rückzug trotz Querungen problemlos.
Der Kaffee und der Radler schmecken zurück beim Bus aber doch sehr lecker – trotz langem Gesicht. So eine Aussicht inklusive Novembersonne! Ein gutes Timing, um einen neuen Plan auszuhecken – so möchten wir uns nicht vom Kaiser verabschieden. Hehe…
Einmal geht’s noch… Maukspitze!
Weil’s so schön ist, bleiben wir gleich hier auf der Wochenbrunner Alm. Aber was könnten wir von hier aus noch angehen zum Abschluss unseres Kletter-Kurztrips? Die Buhl-Westwand an der Maukspitze? Aber wenn wir schon zu deppert für den Dülfer waren…?
Zweifel. Denn die Geschichte zur Erstbegehung der Mauk-Westwand ist eine sensationelle, der Bericht im bergundsteigen eine Lese-Empfehlung:
Wenn ihr in die Wand hineingeht“, hatte der Wastl (Wirt der Ackerlhütte, Anm.) zu Buhl und Reischl gesagt, „dann schiaß i enk ocha. I schiaß enk ocha!“
Zu Schüssen ist’s Gottlob nicht gekommen, aber dennoch trägt diese Wand viel Alpingeschichte(n). Auch der Pause hat die Mauk-West in seinen Kletter-Führer „Im extremen Fels“ auserkoren.
Aber eben: Wenn uns schon der Dülfer an der Fleischbank abgeworfen hat? Was haben wir dann hier verloren? Zurück können wir ja immer noch. Auf geht’s!
Anstatt mit der Kirche ums Kreuz zu fahren, nehmen wir den bisserl längeren Zustieg in Kauf und radeln in der Früh auf unseren Bikes los. Bei der Gaudeamushütte werden sie geparkt (Zeitersparnis nicht groß, aber besser als nix). Zum Pizzaessen woll‘ ma zurück sein im Tal!
Die erste V+-Stelle kauft Marlies gleich ihre Vorstiegs-Moral ab. Bist du narrisch… Ein richtig kraftiger Kamin. Doch lieber Andi vorlassen… Und schnell nach! Dann liegt sie auch schon vor uns. Die berühmt-berüchtigte-gefürchtete Schlüsselstelle…
Die „Woll-Woll“
Eine Verschneidung wie ein Buch – glatt, sich nach außen öffnend – nur Eselsohren zum Ansteigen findet man (viel zu) wenige. Zumindest zwei Bohrhaken geben der Moral neuerdings einen Halt. Wir muss das bloß damals hier gewesen sein…
Hier ist nirgends Halt. Der Oberkörper droht nach außen abzurutschen, man versucht verzweifelt , sich mit Rücken und Knien darin zu verklemmen. Eine ganz kleine Felsschuppe am linken äußeren Rand des Kamins erlaubt, das Gewicht für einen Moment zu verlagern. Befreit schiebe ich mich aus dieser beklemmenden Enge hinaus an den äußersten Rand des Kamins. Der Körper liegt schon waagrecht zwischen den Wänden…“
Das schreibt Hermann Buhl in seinem Buch Achttausend drüber und drunter – er könne sich eine Steigerung der Schwierigkeit nicht mehr vorstellen. Einmal muss doch eine Grenze sein. „Aber Wastl sagt nur mit scheinheiliger Miene, dass es noch viel schlimmer käme.“
Zu Klettern ist die Woll-Woll auch für uns nur durch eine Ganzkörper-Klettereinlage – Schieben, Spannen, Steigen, Drücken, Drehen, Tauchen… diese VI+ ist kein Geschenk. Da spannt man Muskeln an, die man erst am nächsten Tag kennenlernen wird.
Bleibt Zeit für einen Schulterblick, gibt’s viel zu staunen. Hinter uns leuchten die Tauern und neben uns soaren die Bergdohlen. Für uns bleibt’s spannend – es geht in Richtung Dach.
Was vor uns liegt ist ein langer A0-Quergang (frei 8+) – der ist bombensicher mit Bohrhaken entschärft. Bei dem kann man alles einhängen, was am Klettergurt so baumelt. Dazwischen krallen sich kurze Hände noch die originalen Rostgurken – und die Angst ist verflogen.
Am Ausstieg üben die Dohlen noch das Toplanden auf Andis Kopf – und während sie den Müsliriegen genießen, schmeckt uns die Aussicht.
Mit dieser November-Nachmittags-Stimmung verabschieden wir uns schon lieber vom Kaiser. Aber auch nur, weil uns nach vier Klettertagen eh alles weh tut 😉
Entspannt geht’s in Richtung Homeoffice und zu den nächsten Vorträgen. Wir freuen uns, wenn ihr bei einem Termin dabei seid!!! Dann klettern wir mit euch auf die 4000er der Alpen. 🙂