Großes Finale unserer Gesäuse-Skitouren-Serie: Am Faschingsmontag verkleideten wir uns als wilde Steilwandskifahrer und besuchten den höchsten Xeis-Gipfel: das Hochtor. Kurz zum Fürchten, lange zum Freuen.
5) HOCHTOR
Skifahren, wo man zwischendurch lieber mal den Pickel zückt? Nicht jedermanns Sache. Nicht zu jederzeit. Am Faschingsmontag haben wir uns als wilde Steilwandskifahrer verkleidet und uns am höchsten Gipfel im Gesäuse versucht: auf dem Hochtor, 2369 Meter über dem Lei-Lei-Geschrei.
Sowohl Wegbegleiter Eddi als auch ich (Marlies) kennen das Hochtor nur von seiner Nordseite, eines Sommertages. Beide hatten wir schon einmal die Idee einer Solobegehung der Jahn-Zimmer umgesetzt. Das Hochtor ist ein ernster Berg – von allen Seiten: Auch im Fasching ist mit ihm nicht zu scherzen.
Zurück zum Start, wieder einmal zum Kölblwirt. Heute ist unser Auto das erste, das hier parkt. In zwölf Tagen seit dem letzten Besuch am Festkogel hat die Sonne ihre Wirkung gezeigt. Ohne Abschnallen kommen wir diesmal nicht durch das erste Wald- und Wiesenstück. Ein Warmlaufen für das Ziel auf 2369 Meter – ohne viele Worte zu wechseln. So eine Ruhe hat man hier selten. Den bereits bekannten Weg vom Festkogel verlassen wir in einem Rechtsschwung mit Blick in die felsdurchsetzten Flanken des Hochtors. Zwei Wochen davor hatte ich mich noch gefragt: wie soll man hier bloß Skifahrend durchkommen…
Danke für’s Bild, Daniel Harreiter! Er blickt vom Festkogel zu uns auf den Nachbargipfel hinüber.
JEDER WEG BEGINNT MIT EINEM ERSTEN SCHRITT
Das Wandfoto und die Tourenbeschreibung genau studiert, Infos einer Begehung (wenn auch nicht Befahrung) der letzten Tage eingeholt – so stoßen wir mit Plan die Türe zum Hochtor auf.
Spitzkehren bis zum Geht-Nicht-Mehr.
Dann eben zu Fuß weiter.
Nadelöhr passiert. Hinauf ja… aber wie wird das hinunter? Ahhh… Kopfkino. Es läuft: ein Actionthriller.
Zumindest zwischendurch wird’s flacher und weniger felsig. 😉
In guter Stapfspur kommen wir kraftsparend voran – und liebäugeln bereits mit einer Abfahrt.
Wolke, Wolke, Sonne, Wolke, Sonne, Wolke: Mit dieser Formel könnte sich doch ein fahrbarer Firn ergeben. Doch am Gipfelgrat begrüßt uns erstmal ein eisiger Wind. Huiiii ja… Das Bauchkribbeln steigt, je näher wir der Abfahrt kommen. Das Gipfelkreuz kommt mir als Hochspannungs-Leitung vor. Doch erst noch Staunen. Vom Höchsten im Gesäuse. In die Tiefe. In die Weite. In uns selbst. Wow, ist das Bauchkribbeln heftig.
Gipfelglück mit Blick zum Festkogel.
Bitte anschnallen. Der erste Blick führt über einen weißen Rücken ins Nichts. Ein kalter, harter Rücken, über den der Wind hinweg peitscht. Eddi setzt an – einen Schwung ins Leere. Ich hinterher, herantastend über die Stapfspur hinweg.
Ein erster Schwung ins Leere. Ab dann wird’s aussichtsreicher.
Nach dem erfolgreichen Annäherungsversuch strömen neben Adrenalin auch Endorphin und Serotonin durch den Körper. Steile Schwünge in der Kletterarena – die machen heute richtig Spaß!
Die Linie lieber zweimal checken als einmal straucheln.
Zwischendurch können wir die Skier laufen lassen.
Steilwand-Schwung. Der Puls schlägt höher.
Eddi nähert sich der Engstelle.
Spulen wir das Kopfkino zurück: Wir nähern uns der engen Rinne. Im Aufstieg hätte ich nie an eine Abfahrt gedacht. Steilheit? Knapp 50 Grad geschätzt. Breite? Hier passen an der engsten Stelle doch nie unsere Skier durch! Also Eddis zumindest nicht (meine Zwutschkerl vielleicht schon). Eddi fährt an. Tauscht vor der Engstelle den Skistock gegen den Pickel. Er tastet sich hinunter. „Das geht schon!“, ruft er hinauf. Geht schon? Stürzt doch! Lieber doch die Steigeisen anziehen und absteigen? Schalten wir das Kopfkino ab. Eddi kann mich einschätzen nach ein paar steileren gemeinsamen Skitouren, nach der Bosruck-Gipfelrinne zum Beispiel, der Pyhrgas-Südwest-Flanke. Bauchkribbeln. Trau ich mich? So, hinten nach.
Engstelle.
Haltungsnoten gibt’s keine guten. Aber das ist mir so wichtig wie einem Atheisten das Amen im Gebet. Gar nicht. Den Pickel versenkt, geht’s Schritt für Schritt hinunter. Halleluja, geschafft… Nach der Engstelle wird’s nicht flacher, aber die Moral ist nicht mehr zwischen Felsen gepresst. Wir wagen einen Schwung im Ansatz. Wohooooo, läuft wieder! Über den aufgeweichten Lawinenkegel bleiben wir mit Kurs im Schneeloch. Das fährt sich wieder lässig! Wir queren zurück zur Aufstiegsspur. Eine Stunde früher dran als beim letzten Mal schmiert der Firn so wie wir es uns nur wünschen können.
Durch das Schneeloch. Fröhlich im Firn.
Nach kurzer Tragepassage im Waldstück flitzen wir die letzten Schneereste nützend über Felder, ehe wir zu guter Letzt durch einen Vorgarten zurück zum Auto stapfen. Der sachdienliche Hinweis der supernetten Besitzerin, die uns bereitwillig und ausdrücklich durch ihren Garten spazieren ließ: Beim Kölblwirt ist heute Kinderfasching…
Machen wir ausnahmsweise ein Bogerl um den Xeis-Wirt unseres Vertrauens – und den Einkehrschwung noch voll verkleidet in der Konditorei Stockhammer in Admont. Jetzt haben wir unsere Krapfen.
DAS WAR’S: SO VIELE STERNLEIN STEHEN
Endorphin: Einsamkeit am Höchsten im Xeis – schöne, steile Schwünge – wilde Flanken – kurz zum Fürchten, lange zum Freuen
Adrenalin: Bauchkribbeln im Aufstieg, Höchstspannung in der Abfahrt
Nichts wie hin: Eine Befahrung nur für (nerven)starke Skifahrer ratsam – eindrücklich, dass sich die Wand doch so gut auflöst – Lawinenkegel im Auslauf störend – auf gute Verhältnisse hinpassen – vor dem Abmarsch besser zweimal den Rucksack kontrollieren, ob Pickel und Steigeisen vorhanden sind
UNSERE SKITOUREN-AUSLESE ZUM NACHLESEN
1) Kreuzmauer – die Prinzessin der Haller Mauer: Immer wieder ein majestätischer Anblick: Ist das Gesäuse der König, sind die Haller Mauern die Prinzessin. Die Kreuzmauer ist einer der schönsten Zacken ihrer Krone – und ein Skitourenberg, der Frühlingsgefühle weckt.
2) Hexenturm – mystisch auf der Nordseite: Diesmal steigen wir von Norden auf die Haller Mauern und lassen uns verzaubern: vom Hexenturm. Sein Rosskar finden wir zum Wiehern, dessen schneidiger Sattel zum Gipfel ist umwerfend schön. Hex, Hex!
3) Lugauer, das steirische Matterhorn?! Wo Zermatt Radmer heißt, das Hörnli Lugauer und man ohne finanzielle Sorgen beim Wirt Nachschub bestellt. Verdient hat man sich’s ja. Ein Marathon-Matterhorn.
4) F wie Firn, Frühling, Festkogel: Teil 4 unserer Xeis-Auslese führt uns ins Herz des Gesäuses und mit Skiern auf einen unserer liebsten Kletterberge: den Festkogel. Ein Wow-Effekt, dass der Sommer-Abstieg als Winter-Aufstieg so wunderschön möglich ist.
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Marlies Czerny