Alles unter einem Dach: Das Prielschutzhaus als Basislager zum Klettern, Feiern und Fliegen
Klettern und fliegen, feiern und liegen: Das Prielschutzhaus ist so etwas wie unser Nebenwohnsitz, wenn wir uns im Toten Gebirge so richtig lebendig fühlen.
Vielseitig. Wild. Ursprünglich. Luftig. Lustig.
Wasserfall. Gottseidank-Bankerl. Märchenwiese. Schutzhaus. Den Weg vom hintersten Winkel in Hinterstoder teilt der Hütten-Stammgast am besten in vier Viertel: Jeweils 15 bis 20 Minuten einkalkulieren pro Teilstück, dann verfliegen die 800 Höhenmeter fast wie im Fluge. Immerhin weiß man aus guter und langjähriger Erfahrung: Einmal angelangt, hoch oben auf 1420 Metern, erwarten einen beim Höll Harry und seiner Witti die besten Mehlspeisen zwischen Pyhrn und Priel. Garniert mit besonders legendären Geschichten vom Dachstein bis zum Himalaya. Und alles serviert vor den Bergen, die unsere Herzen höher schlagen lassen.
Das Panorama haut uns selbst beim ungefähr dreiundneunzigsten Besuch noch um: Ein Heimatfilm-Romantiker würde im Angesicht der Toten-Gebirgs-Aushängeschilder die kitschigste Kulisse finden für seine neue Schnulze.
Doch weil der Blick so vieler Dichter und Bergsteiger meistens schon im Westen an höher gelegenen Gipfeln hängen bleibt, entdecken nicht alle dieses Naturjuwel (das sich auf der anderen Talseite nur durch Liftanlagen verschaukeln lassen muss).
Doch selbst Österreichs Ski-Kaiser Peter Schröcksnadel wurde auf Hinterstoder aufmerksam (und legte sich die Mehrheit des Skigebietes zu) – und offenbarte eines Tages im OÖN-Interview einen ehemals fehlenden Weitblick: „Da ist es ja so schön wie in den Dolomiten. Ich war völlig weg, als ich das erste Mal nach Hinterstoder gekommen bin.“ Und weiter:
Als Tiroler glaubst du ja, solche Berge gibt’s nur bei dir daheim.
Für uns stellt die Gegend rund um das Prielschutzhaus eine Schatzkiste voller Abenteuer dar. Es bieten sich so viele Möglichkeiten, dass wir unseren Hauptwohnsitz hierher verlegen müssten, wenn wir alles ausschöpfen wollten (müssen wir aber nicht, wir wohnen ja nicht weit weg, hehe). Von A wie Alpinklettern bis Z wie Zirbenschnapstrinken: Dieses Fleckerl im Toten Gebirge ist so wunderbar lebendig und wild, so weit das eigene Können und die Ideen nur reichen.
Zurück zum vergangenen Wochenende, gemma wieder mal aufs -kurz genannt – PSH. Wasserfall. Gottseidank-Bankerl. Märchenwiese. Eh wissen. Das hat sich in die Gehirnwindungen gebrannt wie mancher Schnaps an ehemaligen Stammtisch-Tagen. Der Weg wird mit dem Rucksack samt Alpinklettergeraffel vom Hammer über Haken bis hin zum Paragleitschirm (unserem geliebten UFO) auch nicht kürzer. (Ahhhh…! Wer wollte da die Materialseilbahn nicht beladen, Andiiiii?)
Oben, am frühen Samstagnachmittag, stehen wir vor einem Luxusproblem: Klettern am Großen Priel, Kressenberg, im Goldkar? Tiramisu, Bananenschnitte, Speckbrot? Oder doch gleich mit dem inneren Schweinehund gemütlich draußen auf der Terrasse sitzen bleiben?
Wir wählen erst das Speckbrot und dann den Großen Priel. Er ist der höchste Berg, um den sich die Oberösterreicher nicht mit ihren steirischen Lieblings-Nachbarn streiten müssen, wo denn nun die Grenze verläuft. Der Priel steht zur Gänze auf Josef Pühringers Hoheitsgebiet. Und er ist einer der vielseitigen Sorte (der Priel und nicht der Pepi ist gemeint): Ein griffiger Klettergrat zieht sich vom Süden zum knallroten Gipfelkreuz (2515 m), eine kilometerlange Überschreitung kommt vom Osten daher, das Ewig-Karst-Plateau führt vom Westen heran und eine Steilwand bricht nach Norden ab.
Wir bleiben auf der Sonnenseite und kosten die Kletterroute „Banane“ samt ihrer Variante (namens Bananensplit) aus. Schon im Zustieg über das Klinserkar erkennt man diese bananige Felsform am ersten Turm des Priel-Südgrats. Bestens saniert, originelle Kletterstellen – eine feine Vorspeise an diesem Fels- und Flug-Wochenende. Und einmal dürft ihr raten, welche Schnitte wir uns danach am Schutzhaus einverleiben…
Grinsekatze Northface
Für Sonntag heben wir uns ein besonderes Schmankerl auf. Doch es sollte eine etwas schwerere Kost werden. An der Spitzmauer – für uns einer der formschönsten Berge im ganzen Alpenland – sinnierten wir schon öfters über Touren, an denen schon jahr(zehnt)elang niemand mehr Hand anlegte. Bei manchen wohl aus gutem Grund… Aber bestimmt nicht bei allen (die „Schwarze Rinne“ ist in bester Erinnerung): Nach einer starken Kletterzeit in den 70ern und 80ern fiel die Kletterei an dieser spitzen Mauer mit seinen unübersichtlichen Rinnen, Schluchten, Rissen und Steinen (vielen Steinen… losen Steinen…) fast in einen Dornröschenschlaf. Höchste Zeit, sie wieder zu wecken und entdecken!
Durch die Nordostwand der Spitzmauer führt mit dem Pable-Gedächtnisweg (VI+) eine (an)spannende Zeitreise in die lokale Alpingeschichte. Anspannend, weil man einigen geschlagenen Haken aus dem Jahre 1976 – sofern man sie findet – ungefähr so vertrauen kann wie den Wetterprognosen in 14 Tagen: hält, hält nicht, hält sicher nicht, hält doch… Diese Trefferquote lässt sich zwischen coolen und anspruchsvollen Kletterstellen auch auf das Gestein umlegen. Zumindest unser Wille ist felsenfest, auf den Spuren von Albert Pable zu wandeln. Ein Klettergurt voll Friends, Klemmkeilen, dazu Hammer und Haken lässt das Sicherheitsgefühl auf Wohlfühlfaktor steigen – damit halten zumindest die Standplätze, was sie versprechen.
Was uns von Seillänge zu Seillänge (insgesamt 12 an ihrer Zahl) durch den Kopf schwirrt: Wer war dieser Albert Pable? Das Wandbuch gibt nur kryptisch Auskunft. Man erfährt, dass Albert in seiner extremen Kletterzeit viele Tage in seiner über alles geliebten Spitzmauer verbracht habe. Bevor er auf tragische Weise in seinen Bergen blieb, steht weiters geschrieben.
Seit nun 40 Jahren steckt das verwitterte Büchlein in einer Blechdose in dieser Wand. Einzig auf sechs Doppelseiten sind Begehungen vermerkt – zuletzt datiert mit dem Jahr 2010: Breitenbaumer und Binder, zwei der wildesten jungen Kletterer zwischen Stoder- und Garstnertal. Von Herbert Rieser († Zinalrothorn), Alfred Imitzer († K2), Karl Antensteiner († Kressenberg) – sie alle lebten wie Pable bis zum letzten Augenblick für die Berge – über Wasserbauer Siegi bis zum Steinmassl Heli sind viele im Tal klingende Namen hier drin vermerkt. Von Letzterem erfährt man auch, dass der Stubwies auf der nahen Wurzeralm die letzte Tour des moralisch gefestigten Bäckers gewesen sei. Ruhe in Frieden.
Zu guter Letzt begeben wir uns mit dem Gleitschirm in den Himmel. Nix mehr mit Gottseidank-Bankerl. Märchenwiese. Wasserfall. Nach einem kurzen Regen-Intermezzo nach dem Abstieg über die Gruberrinne kehren wir noch am Schutzhaus ein (Kaffee, Kuchen und Radler, what else). Wir breiten auf dem kleinen Wiesenhang hinter der Hütte unsere federleichten Flügel aus. Und schweben dem Talboden entgegen. Bis zum nächsten Mal.
Abstieg deluxe: keine acht Minuten für 800 Höhenmeter