„Jeder steht irgendwann vor einem Berg, aber nicht jeder erklimmt ihn.“
Pavel Kosorin
Dem Grimming gibt’s kein Entkommen. Er wirft einen so langen Schatten voraus (wie in unserer winterlichen Hike&Fly-Tour beschrieben und gefilmt), dass man sich ihm nicht entziehen kann. Man fährt vorbei, man schaut hinauf, man hört von ihm und seinem Alleinstellungsmerkmal*: Spätestens als uns im Dezember hinter der schneeweißen Schartenspitze, der etwas mystischen Grimming-Nachbarin, die Sonne ins Gesicht gefallen ist, wollte ich (Marlies) eines: den Grimming überschreiten. Der längs nach. Weil der Weg so ein weiter ist, am besten wieder mit dem UFO. Reduziert Kraft, Zeit und Knieverschleiß. Und erhöht den Spaß, die Planung und die Spannung.
Wetter schön, Andi in der Arbeit, ich höchst motiviert: Flugkollegin Tamara lässt sich nicht lange überreden.
Fürchte dich nicht!
Grimming-Überschreitung klingt nach einem abenteuerlichen Ausflug. Eine Überschreitung, die Universum in einer alten Folge sogar der Titel „eines der letzten großen Abenteuer in den Alpen“ wert war.
So, so! Wir sind sehr gespannt – und gehen mit gesteigertem Respekt an die Sache nach dem Lesen mancher Erfahrungsberichte (von zweitägigen Begehungen und so). Wird’s denn auch trocken sein, nachdem’s am Vortag stark regnete? Wird die Kletterei nicht zu schwierig und nicht zu brüchig? Wird der Weg zu finden sein? Fragen über Fragen; Fragen, die wir uns beantworten wollen.
Seil oder nicht Seil
„Nehmt besser Leichtsteigeisen mit…“ Diesen Tipp von einem Kletterkollegen beherzigen wir zwar nicht, aber er erhöht den Spannungsfaktor. Wiesen-IIIer mit Grasbüscheln als Griffen? Die Steilhänge seien jedenfalls zum Teil richtig ungut zum Gehen. Wir taktieren noch ein bisschen mehr: Weil uns beiden eine ausgesetzte Gratkletterei bis in den oberen dritten/unteren vierten Schwierigkeitsgrad normalerweise ganz gut behagt, verzichten wir auf ein Seil (und damit auf noch mehr Zusatzgepäck neben unserer Gleitschirmausrüstung). Mit dem klaren Vorsatz: Sollte es irgendwie unangenehm werden, drehen wir um. Oder fliegen hinunter 😉
Notiz am Rande: Empfehle ich nur gaaaanz sicheren (Grat-)Kletterern!
Grasige Gratkante
Weil wir bei unserem Auto landen wollen (und Nordwest-Wind prognostiziert ist) starten wir in Kulm bei St. Martin am Grimming. Gemütlich geht’s über den nordseitigen Normalweg hinauf. Um halb zehn Uhr kreisen die Bergdohlen neben uns am Gipfelkreuz des Grimmings (2351 m). Damit es weiter gehen kann, geht’s erst den Normalweg wieder hinunter. Um dann über wenig einladendes Gelände in die Grimmingscharte zu queren. Über steile Grashänge und brüchiges Schrofengelände finden wir uns einen ganz geschickten Weg.
Jetzt wird’s eindrücklich: Der Grat ist teilweise so schmal (und überraschend kompakt), dass zwischendurch der Reitersitz die naheliegende Option ist für jene, die im Slacklinen nicht so gut sind wie der Kemeter Mich (und da gibt’s auf dieser Welt nicht so viele). Hossa! Mal links kletternd, mal rechts, meistens oben drüber – definitiv eine Angelegenheit für alpine Spürnasen. Löst sich alles bis in den oberen dritten Grad super schön auf. Ein cooles Gefühl, endlich da oben auf der Schartenspitze (2328 m) zu stehen! Und das spitzenmäßige Panorama zu genießen.
Ohne Verhauer
Führerliteratur gibt’s kaum – aber eine sehr brauchbare Beschreibung von Matthias Pilz ist im Web aufzustöbern. Mit dieser und etwas Gespür lässt sich der Weiterweg über die Heilscharte zum Kleinen Grimming auch super finden.
Als wir auf dem Kleinen (der mit 2290 Metern auch ganz schön groß ist) um uns blicken, entscheiden wir uns spontan für einen Abflug. Den weiteren Rücken – mit dem Zwölfer und Elfer – schauen wir uns nur noch aus der Luft an. Am Dachstein türmen sich allmählich die Wolken und es weht uns gerade so ein laues Lüftchen entgegen, dass wir diese Chance ergreifen wollen. Auch, um unseren Kniegelenken später einen dreistündigen Abstieg zu ersparen… Wie hatte schon der Kräftner Michi gemeint: Der sei etwas für Masochisten!
Den Grimming aus der Vogelperspektive zu erleben ist das Tüpfelchen auf dem i. Die Thermik lässt uns noch am Grat herumkratzen, bis wir zum Landeanflug in St. Martin ansetzen. Dem Bauern in die frisch gemähte Wiese landen (und sich gleich persönlich bei ihm entschuldigen/bedanken, als er uns vom Traktor ganz „freundlich“ begrüßt) und ein paar Minuten zurück zum Auto spazieren. Der Blick auf die Uhr: Es ist erst früher Nachmittag. Next stop: Eisdiele!
Unser Alpin-Ausflug war unterm Strich: einsam, erlebnisreich, empfehlenswert!
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